#4 SU

Szene IV: Metzer Affaire

Türdiener 1: Madames brillantverziertes Smartphone ertönt. Diese grässliche Melodie!

Gräfin von Hanau-Münzenberg: HALT DIE KLAPPE!!!!!

Türdiener 2: Eins müssen wir hochachtungsvollvoll anerkennen: Er gibt nicht auf.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: Aber typisch Zuckiputzi. Ausgerechnet dieser in Buckingham Palace hochangesehene royale Freund machte sich gestern lieber als berühmter Elefant im Porzellanladen Rang und Namen. Um bei der britischen Krone mächtig Eindruck zu schinden, gab nämlich Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden Graf von Hanau-Münzenberg für das umgehend konzipierte repräsentative Chambre d’Ambassadeur wahrhaft unerhört kostspieliges Interieur bei renommierten Pariser Manufakturen in Auftrag. Spätrokokostil. Weil kluge Herrscher jedoch niemals Fortunas Launen vertrauen, reiste mein Götter-gatte samt dreier Diener im großen Möbeltransporter persönlich zur Abholung solch bedeutender Fracht an die Seine.

Türdiener 1: Ach, deshalb glänzt Seine Durchlaucht mit Abwesenheit.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: ICH BIN NICHT DEIN ZUCKER-HASI!!!!!

Türdiener 2: Ging davon aus, seine Prima Ballerina hätte ihn…

Gräfin von Hanau-Münzenberg: ICH.BIN.NICHT.DEIN.ZUCKER-HASI!!!!!

Türdiener 1: …hochkant rausgeworfen und die Scheidung beantragt, um sehnsüchtig Hofdame Chantal ehelichen zu können. Spekulationen darüber liest du in der europäischen Boulevardpresse seit Wochen.

Türdiener 2: Auf dem Foto unmissverständliches Herumtatschen an Chantals Busen im Schlosspark.

Türdiener 1: Solidarische Unterstützung unter Frauen beim Richten unglücklich verrutschter Dekolletés, ganz normaler Vorgang, erklärt dazu der Hof.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ärgerlicherweise entging Zuckiputzi, dass Frankreich dem Absolutismus bereits anno 1789 „Adieu!“ zugerufen hatte, weshalb er -gepudert und gekleidet nach französischer Adelsmode um 1775/1780- auf der Heimfahrt zwei weibliche Bedienungen einer Autobahnraststätte nahe Metz in guter alter Feudalmanier hartnäckig als sozusagen Sittenlose Frauenzimmer bei Hofe anzuwerben gedachte.

Türdiener 2: Quel Fauxpas!

Türdiener 1: Maîtresse dans le Château Philippsruhe. Kommt bei Französinnen garantiert super gut an.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: Eine zufällig tankende Polizeistreife eilte den studentischen Aushilfskräften zu Hilfe, nahm ihn inclusive Dienerschaft mit nach Metz aufs nächste Revier. Dort mochte er Französisch parlieren, was das Zeug hielt, nicht alle Dienstwachen besitzen Informationen, dass Hessens Brüder-Grimm-Stadt Hanau stolze Kapitale eines souveränen Territoriums ist. Und als man dann alle vier ziehen ließ, wäre der rot-gelb lackierte Lastwagen zwischenzeitlich sicher rund 250 Kilometer weiter gewesen.

Türdiener 2: Hätten ihn ruhig über Nacht einsitzen lassen sollen.

Türdiener 1: Damit Missjöh lernt.

Türdiener 2: Frauenverachtendes Verhalten ohnegleichen! Mal so nebenbei junges Gemüse als Nachschub-Mätressen für seinen am Hof schmarotzenden Marquis de Haute-Pimelange abstauben! Exakt 7 Tage her, dass Beatrice la Sauvage vom alten Schwerenöter ausrangiert wurde.

Türdiener 1: Begründung, mit 22 zu alt.

Türdiener 2: Woraufhin Valérie la Gloutonne, des Blaublütigen zwanzigjährige Parallelgeliebte, prompt mit nem üblen Gangstertyp asozialster Herkunft durchbrannte. Keiner bei Hofe wusste, dass die Herzogstochter selber parallel was am Laufen hatte.

Türdiener 1: Weit unter Stand. Das Unverzeihlichste überhaupt. Im Beisein des Grafenpaares postwendend von Papi und Mami enterbt und verstoßen. Le Marquis de Haute-Pimelange bis auf die Knochen blamiert. Welch schmuddeliger Hofskandal!

Türdiener 2: Und weil anständige Studentinnen unmoralische Angebote grundsätzlich energisch ablehnen, entstand Zoff.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: HALT DIE KLAPPE!!!!!

Türdiener 1: Da weißt du, wer in der Grafschaft Hanau-Münzenberg wirklich den Ton angibt.

Türdiener 2: Was tut er? Erklärt offenkundig geduldig wie ein Lamm unablässig irgendwelche Zusammenhänge. Was tut sie hingegen? Sabbelt währenddessen lieber mit sich selbst, Smartphone am Ohr, schreit ihn aber immerhin ab und zu voller Wertschätzung an.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: HALT DIE KLAPPE!!!!!

Türdiener 1: Das neue Versailles am Main. Klassische adlige Geschlechterrollenverteilung.

Türdiener 2: Traurig-melancholisch herumzulaufen, kostümiert wie der Gilles von Antoine Watteau, stünde ihm wesentlich besser zu Gesicht, anstatt protzenhaft irgendwelchen Fummel nach neuester französischer Mode um 1775/1780 anzulegen.

Türdiener 1: Felsenfest überzeugt, eine private jämmerliche High Card sei ein unschlagbarer öffentlicher Royal Flush.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: Ich als aufopfernd liebende Gemahlin…

Türdiener 2: Lache, Bajazzo!

Gräfin von Hanau-Münzenberg …bekam freilich von alledem nichts mit. Aufgrund meiner Angewohnheiten liegt nämlich das brillantverzierte Smartphone zwischen abends 20.00 Uhr und morgens 09.00 Uhr ausgeschaltet im obersten Kommodenschub-fach. Folglich konnte Zuckiputzi mich nicht telefonisch erreichen; und vor Scham hätte er ja niemals im Leben außer mir eine andere Person im Schloss angerufen. Daher wähnte ich ihn gegen 06.30 Uhr beim gemütlichen Aufwachen längst aus Paris eingetroffen, nach einer eilends improvisierten Arbeitsnachtschicht weiterhin auf Hochtouren mit dem Einrichten des Botschafterzimmers beschäftigt, schwitzenden Dekorateuren penibelste Anweisun-gen erteilend. Erst um 09.01 Uhr vernahm ich während meiner üblichen Morgentoilette…

Türdiener 1: Boah ey, wollte schon immer wissen, wann Gnädige Frau eigentlich k*ckt!

Türdiener 2: Boah ey, dauert bei der bestimmt ewig!

Gräfin von Hanau-Münzenberg: …ein kleinlautes Stimmchen, Hanau-Münzenbergs Vorzeigepaar werde laut Navigationssystem erst plus minus 10.00 Uhr MEZ wieder aufeinandertreffen.

Türdiener 1: Aaaaahhh…jeeeetzt entnehme ich dem Geschwätz den kausalen Zusammenhang für ihr unvorteilhaftes äußeres Erscheinungsbild.

Türdiener 2: Stehe auf dem Schlauch.

Türdiener 1: Es kann sich nur so zugetragen haben.

Türdiener 2: Menschenskind, spann mich doch nicht unnötig auf die Folter!

Türdiener 1: Okay, pass auf. Ausgerechnet unser der holden Weiblichkeit stets zugetaner Souverän versemmelt’s gestern Abend im Autobahnrestaurant total. Jener Eklat geschieht nach 19.59 Uhr. Warum? Weil Frau Graf ab Punkt 20.00 Uhr Privatruhe verlangt. So schreitet das Drama -von Schloss Philippsruhe unbemerkt- voran. Vorläufige Festnahme. Mitnahme aufs Revier. Zur Lachnummer degradiert. Wen aber außer Bernardette Constanze Amalia Gräfin von Hanau-Münzenberg Gräfin von Bernstein-Mechthild anrufen? Bloß keine dritte Person im Schloss involvieren!

Türdiener 2: Aaaaaaaaaaahhhhh…jeeeeeeeeeetzt!

Türdiener 1: Macht’s klingeling?

Türdiener 2: Allerdings reagiert seit 20.00 Uhr vorhersehbar nur die Mailbox. Blöd.

Türdiener 1: Dann aber. Punkt 09.00 Uhr.

Türdiener 2: Die Schlossherrin sitzt soeben mit dem brillantver- zierten Smartphone oben im ersten Stock auf dem stillen Örtchen und will um 09.01 Uhr erstmal eventuell über Nacht eingegangene Sprechmitteilungen checken. Wähnt sich gleich bei Sprachnach-richt Nummer 1 im falschen Film. Erhebt irgendwann empört ihren Allerwertesten. Läuft nach dem Händewaschen aufgebracht den Gang retour zum Ankleidezimmer.

Türdiener 1: Madames brillantverziertes Smartphone ertönt. Diese grässliche Melodie!

Türdiener 2: Die Ehefrau stoppt. Gerät außer sich vor Zorn. Auf dem Display leuchtet: Zuckiputzi ruft an… Endlich. Von irgendwoher erreicht er sie.

Türdiener 1: Tyche würfelte so.

Türdiener 2: Giacomo Casanova probiert’s verlegen mit süßen Ausreden.

Türdiener 1: Vergebliche Liebesmüh.

Gräfin von Hanau-Münzenberg: SCHWEIG!!!!! ICH HAU DIR MIT DEM NUDELHOLZ DEN BUCKEL BLAU!!!!!

Türdiener 2: Dermaßen brodelnd kochen weibliche Emotionen, sodass Hanau-Münzenbergs Première Dame -anstatt in den ursprünglich favorisierten Raum zurückzukehren- das Treppen-haus hinab an uns vorbei ins Freie stolpert. Dort kappt Zuckerhasi schließlich zu Meister Pantoffelhelds Entsetzen gnadenlos das Gespräch.

Türdiener 1: Dreiviertel bekleidet. Unfertiges Make-up. Unfertige, physikalisch noch höchst wackelig sitzende Turmfrisur.

Türdiener 2: Hähähä, anscheinend hat’s hinten so pressiert, dass es die Signora nicht länger im Ankleidezimmer aushielt.

Türdiener 1: Ihr dressierter Burgdackel beweist allerdings unerwartete Renitenz. Wagt dreist einen zweiten Versuch. Spekuliert: „Sicherlich hat sie sich abreagiert.“

Türdiener 2: Fatale Fehlspekulation. Seine Trulla packt Draußen vor der Tür erst recht die Wut, straft grausam, indem eigener Monolog ertönt, und Maître Mari Brimé -von Entgleisungen verbaler Art abgesehen- eiskaltem Ignorieren anheimfällt.

Türdiener 1: Tja, und da steht sie nun lotterhaft rum.

Türdiener 2: Zermürbt von Visionen, Lord Ashley Winston Chesterton Grand Seigneur de Tintagel werde angesichts unabgeschlossener Inneneinrichtungen folgendes Todesurteil fällen: „The Queen is not amsused!“ Nie im Leben kriegen die das Chambre d’Ambassadeur bis morgen früh fertig.

13. 01. 2025

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