II – #6 SI

Szene VI: Blutzeuge

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): „Zu spät, Frevler, zu spät“, lärmte Hades, „außer du opferst!!!!! Ruchloser, schau zum ‚Staudinger‘ rüber!!!!! Wir, Zeus, Poseidon und Hades gebieten mit unbesiegbarer Macht sogar über die Wirtschaftskonzerne!!!!! Siehe, dampfende Rauchschwaden wohlriechender Opfergaben, welche Vorstandsmitglieder uns im Inneren ohne Unterlass darbringen!!!!!“

Zeitungsmitarbeiter: Irgendwie beschleicht mich das sonderbare Gefühl. im falschen Film gelandet zu sein.

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Verständlich…äh…Thorsten heißt du, gell? Für uns 2014 hingegen DER pure Albtraum. Isabell, Svenja, Miriam, Laura, in tausend Ängsten aneinander geschmiegt, wisperten pausenlos: „Die Götter, die Götter, die Götter, sie zürnen!“ David und Adrian hielten mit Zittern und Zagen nach Anzeichen einsetzender Wasserstand-veränderungen Ausschau. Maximilian drängte: „Besänftigt sie!!!!! Besänftigt sie!!!!! Egal wie!!!!!“

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ich schnappte mein Opernfernglas, das ich wie Mama bei jedem Rausgehen für zufällige Tierbeobachtungen griffbereit einstecke, vergrößerte die Ansicht des Kraftwerks und hoffte dadurch, jene Szenen 2018 endlich geistig fassen zu können.

Vergebens.

(Handlautsprecher, Personalchefin, Schwester Amanda): Immerhin, Lukas blieb standhaft.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Korrekt. Märtyrern gleich. Trotz beginnender Naturkatastrophe brüllendes Kämpfen gegen aufgezwungenen Götterkult. „Red keinen Sche*ß, Pascal!!!!! Das aus dem Reaktor Aufsteigende ist stinknormaler Wasserdampf vom Kühlvorgang!!!!! Frag in Chemie!!!!!

Und für DICH eilt kein Vorstand ins Kraftwerk!!!!! Konzernchefs haben nämlich Wichtigeres zu tun!!!!! Ha, die werden euch dahergelaufenen Göttern kräftig was husten!!!!! Denkt ihr allen Ernstes, die tanzen im ‚Staudinger‘ herum wie die Israeliten um ‚Das Goldene Kalb‘????? Wovon träumt ihr Ä*sche eigentlich nachts????? Vom Sockel wird der Herr euch stürzen!!!!! Vom Sockel!!!!! Keinen müden Cent werfe ich gotteslästerliche Götzenkästen!!!!! Ich glaube nur an Gottes eingeborenen Sohn, unseren Messias. Oh, lieber Jesus, und müsste ich mit dir sterben, nie und nimmer werde ich dich verleugnen!!!!!“

Zeitungsmitarbeiter: Respekt. Beteuerte Petrus auf dem Weg zum Ölberg auch.

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Die Pfarrerin. Hundertpro.

Zeitungsmitarbeiter: Und dann?

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Manifestierte sich Poseidons ganze übernatürliche Stärke.

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Zeus und Hades packten Lukas ein zweites Mal am Schlafittchen, drängten ihn rüde zur Schleusenmitte; vom Dreizack bewaffneten Götterkollegen abermals mit theatralischen Gesten erwartet.

Zeitungsmitarbeiter: Hatte Poseidon diesen nicht in den Main geschleudert?

(Handylautsprecher, Personalchefin, Schwester Amanda): Ersatz-Dreizack, Thorsten.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: „Oooooooooohhhhh, geliebte Brüder, des Frevelnden Hochmut kennt keinerlei Maß!!!!! Wieder übers Geländer mit dem Kopf!!!!! Damit der mit Blindheit geschlagene Narr erkenne, welches Verderben er über Hanau ausgießt!!!!!“

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): „Oooooooooohhhhh, Gott Moenus!!!!! Ich, großer Poseidon, befehle dir: Nicht nur sollst du brodeln und zischen -neeeeeiiiiinnnnn- sondern, um die Strafe zu mehren, auch kochen!!!!! Koche!!!!! Siede!!!!! Neunzig Grad Celsius heißes Wasser!!!!! Schaum!!!!! Hochgiftiger, ätzender Schaum!!!!! Auf dass Hanau in einer meterhohen brühenden Giftlauge versinke!!!!!“

Zeitungmitarbeiter: Ich tippe, Lukas als bibeltreuer Junge prophezeite den Spinnern im Gegenzug unmissverständlich ewiges Höllenfeuer.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: „Nnnnnnnnnneeeeeeeeeeiiiii-iiiiinnnnnnnnnn!!!!!“, schrie er beim Blick in die Tiefe.

Schauderhaft. Noch Fragen?

Zeitungsmitarbeiter: Äääääh?

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Die Hochwohlgeborene Fürstäbtissin möchte damit ausdrücken, Thorsten, angesichts überlegener heidnischer Machtdemonstration knickte der Glaubenszeuge Christi bereits vor Beginn des Martyriums ein, verspielte die sichere Heiligsprechung. Tragisch.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: In schnödem irdischem Denken verhaftet riss Lukas sich los, fiel winselnd auf die Knie, flehte um Mitleid für Hanau: „Gnade, Olympier, Gnade!!!!! Poseidon, Gebieter, halte ein !!!!! Ich gelobe feierlich üppige Opfergaben!!!!! Nur verschone meine geliebte Heimatstadt, die Arztpraxis meiner Eltern in Großauheim, unsere Villa in der Hohen Tanne, das schicke Häuschen von Oma und Opa in Wilhelmsbad!!!!! Verschone den Geburtsort der Brüder Grimm!!!!! Die ‚Märchenspiele‘ nächstes Jahr, was wird aus ihnen?????“

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Ohne ein Wort des Dankes riss Benjamin den ersten zähneklappernd hingehaltenen 10-Euro-Schein an sich. „Meine geliebten Brüder, schnell, sofort rauf zum Olymp!!!!! Frauenzank zwischen Hera und Aphrodite!!!!! Wir müssen schlichten!!!!! Euren Anteil, die restlichen zwanzig Euro, knöpfe ich ihm später ab!!!!!“

Zeitungsmitarbeiter: Please, once again.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Schleusenmitarbeiter hatten auffälliges Herumkaspern kostümierter Typen bemerkt, denn plötzlich sauste Security mit Alarmsirene heran. Als die auf uns zustürmten, waren Benjamin, Jonathan und Pascal freilich über alle Berge. Erzählten denen abwimmelnd: „Probende Schauspieler!“

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Im Klassenverband hältst du dicht, tun ja Lehrer umgekehrt genauso.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Okay, Süße, mache jetzt mit Thorsten weiter. Buuuuusssssiiiii!

(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Buuuuusssssiiiii! Möchte da auch wiiiiiiiiiirklich nicht bei stören!

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Hahahahahahahahahaha!

Zeitungsmitarbeiter: Äääääh?

14. 05. 2025

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