I – #3 SI

Szene III: Halluzination

Zeitungsmitarbeiter: Dann stimmt es also tatsächlich, was man sich in der Wetterau erzählt.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Aaaaaaaaaahhhhh, verstehe, daher weht also der Wind. Wetterau. Ilbenstadt. Grafentochter. Hanau-Münzenberg. Hahahahahahahahahaha, deshalb sind sie vom Wetterauer Dorfpostillon losgesandt worden. Hahahahaha-hahahahaha, sollen listig herausfinden, wie viel dran ist an den Gerüchten. Raffiniert.

Zeitungsmitarbeiter: Madame, wir sind nur ein unbedeutendes Mini-Wochenblättchen, am Leben erhalten von großzügigen Sponsoren, erscheinen aus Kostengründen nicht mal in der ganzen Region. Umso größer unser Dank für das huldvoll gewährte Privileg, Sie, Hochwohlgeborene Fürstäbtissin, interviewen zu dürfen. Verständlicher Weise interessiert heimatverbundene Leser die Frage, unter welch dubiosen Umständen Ilbenstadt mitten in der Coronapandemie, mitten im Lockdown 2, quasi über Nacht aus rätselhaftem Nichts hervorgezaubert, keiner kann sich’s bis dato erklären, wieder zum Kirchenstaat wurde. Offizielle Bezeichnung: Kirchengebiet Ilbenstadt. Nach Ihres Herrn Vaters Grafschaft Hanau-Münzenberg das zweite souveräne absolutistische Gebilde binnen vier Jahren. Darüber hinaus jedoch bereitet ihnen die primäre Sorge, ob das altehrwürdige Stift seitdem kompetent regiert wird, schlaflose Nächte.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Monsieur, Wir haben vielmehr dem Wetterauer Dorfpostillon zu danken. Kenne ich übrigens, steckt regelmäßig im Klosterzeitungsrohr. Wissen Sie, sämtliche Blätter weltweit ignorieren Papa und Mama beharrlich, lediglich die Regenbogenpresse überbietet sich an realitätsfernen Klatschgeschichten aus Schloss Philippsruhe. Dabei strahlt ihre absolute Macht unübersehbar vom Main bis weit in den Spessart hinein. Nebenbei gefragt … kennen Sie eigentlich Ilbenstadt?

Zeitungsmitarbeiter: Ich muss zu meiner großen Schande gestehen, lebe seit meiner Geburt zwar in Florstadt, hab’s allerdings tatsächlich kein einziges Mal hingeschafft.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Na, sowas aber auch!

Zeitungsmitarbeiter: Weiß nur aus der Schulzeit das mit der 1803 säkularisierten Prämonstratenserabtei. Und ja, bekanntlich 2021 als Frauenkloster erneut besiedelt. Kirche und Orden verweigern Ihnen jegliche Anerkennung. Der Konvent, ausnahmslos Ihnen treu ergebene Oberstufenmitschülerinnen des Abiturjahrgangs.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Exactement.

Zeitungsmitarbeiter: Eine imposante mittelalterliche Basilika ziert den Ort.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Joooooaaaaa, schindet ordentlich Eindruck. Im Vergleich dazu wirkt Rumpenheims Schlosskirche provinziell. Hahahahahahahahahaha, anscheinend besaßen Papas Vorgänger nicht ganz so dicke Portemonnaies wie die Prämonstratenser. Meine Güte, sehen Sie bloß das Laub und die Äste. Der arme Baum, kaputt vom ausbleibenden Regen.

Zeitungsmitarbeiter: Ähm…mit Verlaub, Hochwohlgeborene Fürstäbtissin…das starke Sonnenlicht.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Stimmt. Jetzt, wo Sie sagen. Mon diiiiieeeeeeeeeeuuuuuuuuuu, ich glaub, ich brauch ne Brille! Mit zwaaaaaaaaaannnnnzig!!!!!

Zeitungsmitarbeiter: Unfassbar. Marcos Biergefasel in unserer Stammkneipe ist wahr. Stets ab dem dritten dunklen Hefeweizen lallt er. Sie existiert, die erbarmungslos scheinende, alles versengende Sonne Hanau-Münzenbergs…sogar menschliche Gehirnwindungen. Noch vorhin hielt ich es für typisch adliges Scherzen, als Ihr Herr Vater mir zum Schluss zurief: „Mais attention, mon cher ami: Ist sie zu stark, bist du zu schwach!“

05. 01. 2025

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