Szene IV: Arbeitsbedingungen
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Irgendwie beschleicht mich das ungute Gefühl, dass Sie zudem vorher noch nie in unsere wunderschöne Grafschaft gereist sind.
Zeitungsmitarbeiter: *räusper*
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Na, so was aber auch! Egal. Über was konkret möchten Sie Ihrer geneigten Leserschaft berichten? Ehrlich, bitte!
Zeitungsmitarbeiter: Der Redaktion wurden diverse Augenzeugenberichte hochbrisanten Inhalts zugespielt.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ich lach mich kaputt. Dem Wetterauer Dorfpostillon?
Zeitungsmitarbeiter: Offensichtlich mehren sich Stimmen, die zudem Ihre sozialen Kompetenzen anzweifeln.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Das ist ja eine bodenlose Unverschämtheit! Darf ich mir mal diese Aussagen ansehen?
Zeitungsmitarbeiter: Selbstverständlich. Hier. So wirft Ihnen beispielsweise eine über jeden Zweifel erhabene Nieder-Wöllstädterin am 30. Juli per E-Mail unter anderem feudale Ausbeutung des Dienstpersonals vor.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Aus Nieder-Wöllstadt? Hmmmmm…okeeeee…hmmmmm…Quatsch mit Soße! Eindeutiger Fall übermäßigen Alkoholkonsums. Zehn Doppelte. Mindestens. Oder war etwa Hanau-Münzenbergs Sonne zu heiß?
Zeitungsmitarbeiter: Eine einzige Reinigungskraft für den gesamten Abteikomplex, welche sie an besagtem Tag zufällig im Kircheninneren schuften sah. Auszug aus ihrer Mail, ich zitiere: „Heute, am 30. Juli 2021, ging ich vormittags in die Kirche hinein, um dort vier Kerzen anzuzünden. Als meine Augen beim Betreten des Gotteshauses diese arme, bedauernswerte Frau wahrnahmen, zersprang mir beinahe das Herz vor lauter Mitleid, und weinend klagte ich gedämpft in Richtung Altar: ‚Schlimmer als im Mittelalter die Leibeigenschaft!’“

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Na ja, man kann’s aber auch übertreiben.
Zeitungsmitarbeiter: Es geht noch weiter. Laut traumatisierter Zuträgerin stand kurz darauf eine extrem anstrengende Zusatzarbeit an.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Nur immer raus mit der Sprache!
Zeitungsmitarbeiter: Steht alles schwarz auf weiß da. Entfernung hartnäckiger Schmierereien auf dem Pflasterstein, ausnahmslos gegen die damaligen Coronamaßnahmen gerichtet, nach Ihrer vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Abiparty. Ich zitiere: „90 Minuten später kam ich zufällig wieder an der Abtei vorbei. Jene Bejammernswerte von vorhin bückte sich nun unüberhörbar ächzend in erniedrigender Weise. Vor dem Kirchenportal schrubbte sie mühselig hässliche Anti-Corona-Parolen weg, welche die von diesem verdorbenen Früchtchen veranstaltete Abiturfeier unserem schönen Städtchen hinterlassen hatte. Und kein gesetzlicher Mindestlohn wie in Deutschland. Ich musste beim zum Himmel schreienden Unrecht erneut weinen und murmelte in Richtung Eingang: ‚Du böses Ding! Dafür wird der liebe Gott dich strafen!’“

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Um gleichfalls Belege zur Diskussion beizusteuern. Erstens: „Es kümmert mich nicht.“ Zweitens: „Ich bleibe kalt wie ein Nachrichtensprecher.“ Beides Rapzitate aus Es kümmert mich nicht von Morlockk Dilemma und Mike Fiction. Jedenfalls vermag ich mich beim besten Willen nicht daran zu erinnern, dass im Kirchengebiet Ilbenstadt Klosterangestellte jemals zu unwürdigen Konditionen arbeiteten. Für Detailinformationen kontaktieren Sie bitte die Personalabteilung. Amanda erteilt Ihnen als fachkundige Leiterin gerne nähere Auskünfte. Zum Geschmiere. Diesbezüglich fehlt mir ebenso jede Erinnerung.
05. 01. 2025
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