Szene II: „Jaja“ heißt…?
Marquise de Hanau-Münzenberg: Sehr witzig. Vor allem entpuppte sie sich an jenem Tag als wahrer Glücksfall.
Psychiater: Lass hören!
Marquise de Hanau-Münzenberg: Während ich erneut trillernd und winkend völlig umsonst mein Plakat hochhalte, erklingt beim Losfahren einer Regionalbahn plötzlich leises, Mitleid erregendes Kinderschluchzen. „Hallo, du da unten!“

Verwirrung pur. „Nein, nicht hinter dir, hier oben!“ Ungläubiges Staunen. Beide Augen staunen nicht schlecht. „Bitte, bitte, bitte, hilf uns, wir sind irgendwie hängengeblieben, und unsere Familie flog ohne es zu bemerken weiter.“
Psychiater: Eine Wolke?
Marquise de Hanau-Münzenberg: Drei, waren Schwestern. Gaaaaannnnnz hauchzarte Gebilde. Im übermächtig strahlenden Glanz des Sonnenkönigs kaum wahrnehmbar. Müssen noch sehr jung gewesen sein. Zwei zappelten im rechten, eine strampelte im linken Oberleitungsmasten. Absolut hilflos. „Klaro, wartet kurz!“, rufe ich ihnen Mut machend zu. „Bin im Nu da. Gleich seht ihr eure Eltern und Geschwister wieder, bestimmt suchen sie schon überall besorgt.“
Psychiater: Jetzt sag bloß, du bist tatsächlich raufgestiegen?
Marquise de Hanau-Münzenberg: Um als Belohnung einen Stromschlag verpasst zu bekommen? Nein, empört darüber, weil man oben auf den Spitzen keine Warnhinweistafeln wie
Achtung! Verhedderungsgefahr für Wolken!
angebracht hatte, gehe ich zielstrebig zum ersten Mast. Trete heftig dagegen. Perfekter gestylt als diese bürgerliche Schl*mpe Jeanne-Marie Bécu es jemals hingekriegt hätte, zwängt sich Alessa Marie Marquise de Hanau-Münzenberg alsdann durch die Lücke zwischen Warnsignalpfosten und Bahnsteigbeginn, überquert entschlossen die Gleise, wiederholt drüben ihre Rettungsaktion, nimmt denselben Weg zurück. Problemlos, es kam ja kein Zug. Daher vollkommen unverständlich, warum zwei Opas drauflosschimpften; machten voll die Welle, wollten sogar die Polizei holen. Wolkenhasser!!!!!
Psychiater: Und dann?
Marquise de Hanau-Münzenberg: Infolge der durch meine Tritte ausgelösten Vibrationen vermochten sich alle aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Lage zu befreien und flogen erleichtert weiter. „Daaaaannnnnkeschööööön!“, riefen sie beim Abschied. „Das werden wir nie vergessen!“ Fröhlich winkend entgegne ich: „Biiiiitteschööööön! Ehrensache! Und kommt gut daheim an!“
Psychiater: Jeden Tag eine gute Tat.
Marquise de Hanau-Münzenberg: Obwohl ich seit dem 30. Oktober 2017 eigentlich gar keine Pfadfinderin mehr bin.
Psychiater: Schade. Es geht doch nichts über den gemeinsamen Gesang abends am gemütlich knisternden Lagerfeuer.
Marquise de Hanau-Münzenberg: Unser Ehrenkodex verbietets. Ich müsste im Camp ja dann Geschirr spülen, mithelfen, das Zelt auf- und abzubauen, sprich, arbeiten, mir die Finger schmutzig machen. Aber das Ausüben einer Arbeit war Adligen früher untersagt; weshalb die Grafschaft Hanau-Münzenberg, Erbin Versailles‘, stolz auch diese wunderschöne feudale Tradition hütet.
Psychiater: Noblesse oblige.
Marquise de Hanau-Münzenberg: Sehen Sie diese gepflegte Maniküre?
Psychiater: Apropos, was machen Wilhelmsbads Schranken?
Marquise de Hanau-Münzenberg: Sehen sie diese gepflegte Maniküre?
Psychiater: Jaja.
14. 11. 2025
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