Szene XI: Brandgefahr
Zeitungsmitarbeiter: Jedenfalls fordern tonangebende Finanzkräftige sofortige Schließung des Stifts, nebst in summa Mädchenheimreise ins Hotel Mama.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: In summa?
Zeitungsmitarbeiter: Vollständig. komplett. Sans exception. Mögen die rein zufällig gemachten, vergleichsweise harmlos anmutenden Beobachtungen der Dame ihrerseits als letzte Warnung verstanden werden. Andernfalls gehen den Wetterauer Dorfpostillon richtige Beweise vom Abi-Chaos zu; dermaßen aussagekräftig, dermaßen kompromittierend, sodass Sie, Hochwohlgeborene Fürstäbtissin, samt Freundinnen freiwillig packen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Angenommen, wir denken im Traum nicht dran?
Zeitungsmitarbeiter: Erstürmen ohnehin über die herrschenden Zustände aufgebrachten Landbewohner, angeführt von einem neuen Thomas Münzer, die Abtei, beenden das süße Lotterleben. Der Bauernkrieg von 1524/25 neu aufgelegt. So zumindest das Kalkül. Hochwohlgeborene Fürstäbtissin ahnen nicht, was Gemeiner Mann anzustellen vermag, tobt dessen entfachter Zorn erst einmal hemmungslos.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Verstehe. Und Ihre Lokalpostille soll die dafür notwendige revolutionäre Stimmung verbreiten, indem durchs Auftischen drittklassiger Schmuddelgeschichten ans heimatliche Herzblut appelliert wird. Ergibt Sinn. Wer in Stralsund, Eisenhüttenstadt oder Görlitz kennt Ilbenstadt. Boulevard-journalismus! Tief gesunken, der Wetterauer Dorfpostillon! Warum starren sie beim Laufen eigentlich ständig stur gerade aus, betasten unentwegt mit der linken Hand übervorsichtig Ihre Zopfperücke? Sehen wie eine komische Schießbudenfigur aus. Keine Bange, sitzt perfekt.
Zeitungsmitarbeiter: Momentchen…Momentchen…Gottseidank… kein Brandherd am Zopfende…hätte schwören können… aber vielleicht mehr mittig…

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Darfste echt niemandem erzählen.
Zeitungsmitarbeiter: Seltsam, seit der Fata Morgana am Tempel fürchte ich, die sengende Hitze könnte den Perückenstoff anzünden. Ähnlich wie in Costa Rica. Da kam ich einst als Tourist per Taxi zurück vom Lago de Nicaragua. Plötzlich Feuerwehr entlang der Panamericana. Man löschte Felder, welche sich angesichts brütender Nachmittagshitze selbst entzündet hatten. Mein Chauffeur warnte eindringlich, mit Costa Ricas Sonne sei nicht zu spaßen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Alles gut. Beim Anblick zu qualmen beginnender Haare schreie ich unverzüglich: „FEURIO!!!!!“
Zeitungmitarbeiter: Mein Gott, hab ich mich erschrocken!!!!!
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Uuuuups.
Zeitungsmitarbeiter: Was aber, wenn Hanau-Münzenbergs gnadenlose Sonne eine gewaltige Stichflamme auslöst? Ehe sie schreien können, brennt mein Kopf lichterloh. Flammen springen auf den eleganten Anzug über. Auf Ihr Nonnengewand. Unaus-denkbar!!!!! Ha, Idee! Ich halte einfach den Dreispitz schützend hoch.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Bedaure.
Zeitungsmitarbeiter: Wieso?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Etikette. Der chapeau bras wurde im 18. Jahrhundert unterm Arm getragen, um die Perückenfrisur nicht zu verhunzen.
Zeitungsmitarbeiter: Das heißt, er dürfte auch nicht als Sonnen-hut fungieren?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Gut kombiniert.
Zeitungsmitarbeiter: Entsetzlich!
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Menschenskind, da passiert nix!
19. 02. 2025
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