III – #8 – SI

Szene VIII: Der lange Arm des Teufels 2

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Also ohne Eis in der Waffel ins römische Amphitheater hineinspaziert

Zeitungsmitarbeiter: In Seligenstadt existiert doch gar kein Amphitheater; die Altstadt überbaut Reste eines Römerkastells aus dem 2./3. Jahrhundert nach Christus sowie der dazu-gehörenden Lagersiedlung.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Der Klostergarten, Thorsten, der Klostergarten! Wo 2014 das unheimliche Spektakel unter johlendem Beifall sämtlicher Teufe stattfand; panem und circenses für Satans Reich.

Zeitungsmitarbeiter: Kein Wunder, dass Björn mich geschickt hat. Derartiges tut sich kein seriöser Lokalreporter an; Vera, Sven oder Maike hätten längst Tschüss! gesagt. Und sie hört und hört nicht auf.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Übrigens, Thorsten, beinahe wäre der zentrale Akt des Dramas ersatzlos ausgefallen. Völlig unvorher-gesehen geriet Caislin nun in den Sog eines zweiten Dämons. Mir nichts dir nichts eilt sie von der Prälatur davon. Suchaktion. Endlich. Oh, mein Gott, welch grauenvoller Anblick! Die Bedauernswerte. Totenstarr stiert sie zu einer dieser steinernen Standbilder empor. Kreidebleich. Das entstellte Antlitz schweißgebadet. Abwechsend rütteln wir an ihren Schultern. Vergeblich. Caislin ohne jegliche Rührung.

Zeitungsreporter: Für so was gibt’s sogar einen eigenen Ausdruck: in Rage reden.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ist nicht lustig! „Was ist los, Süße? Sag’s uns, wir flehen dich an, bitte, bitte sag’s uns“, wimmert Mariella, „vertrau uns, bitte, bitte, vertrau uns!“ Caislin röchelt: „Heft mir! Ich kann mein Gesicht nicht mehr von seiner Gestalt abwenden! Schwarze Magie entströmt ihm! Gewaltsam zerrte mich dieser Junge zu ihm hierher, nicht körperlich, sondern geistig, ähnlich einem starken Magnet, der scheinbar unsichtbar Eisenspäne anzieht. Vulgär macht er mich von der Balustrade herab an, fordert S*x, verletzt mein Schamgefühl dermaßen, sodass ich vollkommen schockiert zur Salzsäule erstarre und seitdem wie aus Beton gegossen verharren muss. Plötzlich verspürt mein Magen Heißhunger auf Weintrauben; Heißhunger, der den menschlichen Verstand irre macht. Inständig bitte ich darum, mir eine zu schenken, ehe qualvoller Hungertod mein Los ist.“

Zeitungsmitarbeiter: Und? Hat er?

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Interessant, dasselbe fragte Mariella auch. Ich bevorzuge Männer mit emotionaler Intelligenz. „Zitternd strecke ich meine hungergeschwächten Arme aus, erflehe ein christliches Almosen: ‚Beim Heiligen Martin von Tours, der vor Amiens seinen Mantel mit dem armen Bettler teilte. Wer immer du sein magst, erbarme dich meiner! Um der Liebe Christi willen! Gib einer Verhungernden etwas zu essen!’“

Zeitungsmitarbeiter: Und? Hat er?

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Interessant, Mariella bohrte mit derselben Frage nach. Ich bevorzuge Männer mit emotionaler Intelligenz. „Da drehte der kleine Obszöne seinen Kopf schroff seitlich von mir weg, schnarrte voller Verachtung: ‚Prüdes, unwilliges Ding! Wir sind hier weder in Amiens noch herrscht Winter! Außer natürlich, du…‘ ‚Niemals!‘ , keuche ich mutig. ‚Niemals kriegst du meine Jungfräulichkeit! Niemals! Niemals!‘ Seitdem verharrt er geduldig vor mir als versteinerte Figur in exakt dieser Position.

Bis ich freiwillig sein widerliches Verlangen stille! Er ist so streng! So eisern! So hart! So absolut ekelhaft! So grausam! So mitleidlos! So unerbittlich!“

Zeitungsmitarbeiter: Und? Hat sie?

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Typisch Männer!!!!! Unsensibel bis zum geht nicht mehr!!!!! Ich hasse Männer ohne emotionale Intelligenz!!!!!

Zeitungsmitarbeiter: Oh, Gooooott!!!!! Hochwohlgeborene Fürstäbt…äh…Alessa!!!!! Neeeeeiiiiinnnnn!!!!! Ich wollte doch bloß nachhaken, ob…

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: SCHWEIGE ER STILL, HERZLOSER!!!! DIE ARME CAISLIN!!!!! WEISST DU, WIE SIE VOLLER VERZWEIFLUNG ZU BETEN ANFING????? „Lieber Gott, bitte, hilf mir, ich vermag meinen Körper nicht mehr von ihm abzukehren, ich bin vollkommen bewegungsunfähig! Bitte, lieber Gott, rette mich, bitte, bitte, rette mich, er überträgt das Böse auf mich!“

Zeitungsmitarbeiter: VERZEIHT EUREM NICHTSWÜRDIGEN GAST, HOCHWOHLGEBORENE FÜRSTÄBTISSIN, VERZEIHT EUREM NICHTS-WÜRDIGEN GAST, DAS WUSSTE ICH NICHT!

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Bist du jetzt komplett über-geschnappt????? Mir wie ein Unfreier Bauer das herrschaftliche Ringabzeichen küssen zu wollen!!!!! Steh sofort vom Boden auf!!!!! Du brauchst nicht gleich die feudale Kniebeuge vollziehen!!!!! Und wenn du ich mich noch eeeeeiiiiinnnnnmal Hochwohlgeborene Fürstäbtissin nennst, reiße ich dir eigenhändig deine Perücke vom Kopf!!!!!

Zeitungmitarbeiter: Alessa, oh, großmütige Alessa…

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ruhe im Karton! „Schnell, wir verschwinden von hier, zu horrormäßig das Ganze“, haucht Mariella, „sorry, Mädels, war unklug, in längst Vergangenem rumzustochern.“

Zeitungsmitarbeiter: Toll, und Caislin?

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Mensch, Thorsten, derselbe entrüstete Einwand kam wortwörtlich auch von Amanda!!!!! Ich stehe auf Männer mit emotionaler Intelligenz!!!!! „Unverantwortlich, sie allein zurück-zulassen“, pflichte ich nickend bei, „mich überkommt bei dem Kerl Schüttelforst! Außerdem müssen wir unsere Mission erfüllen! Bis zum Schluss!“ Beratschlagung. Vereint bugsieren wir Caislin resolut weg, rüber zu Klostermauer, wo zu allgemeinen Erleichterung alsbald vollständige Genesung eintritt. Krisensitzung. Abstimmung. Mission wird auf jeden Fall erfüllt. Bis zum Schluss. Wenn auch sicherheits-halber in gebührendem Abstand zu den Barockstatuen.

03. 11. 2025

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