Das Sommerinterview – I – #1 SI

Aus den gedanklichen Memoiren der Alessa Marie Marquise de Hanau-Münzenberg Fürstäbtissin von Ilbenstadt

Erzählrunde 1

Szene I: Lebensqualität

Zeitungsmitarbeiter: Hochwohlgeborene Fürstäbtissin, wenn ich nochmal so spontan zurückblicke, können meine überschwänglichen Worte wirklich nur aufs Neue jene bereits von mir drinnen beim Empfang gegenüber Ihrem Herrn Vater geäußerte Bemerkung wiederholen: Cet petit château est d’une beauté féérique!

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Merci, merci, Monsieur. Zugegeben, unsere bescheidene Sommerresidenz ist tatsächlich recht schnuckelig. Fast unglaublich, stand doch das Rumpenheimer Schloss infolge Kriegseinwirkungen bis 2002 trostlos in der Gegend herum; lediglich die Seitenflügel waren bis dahin intakt. Hahahahaha, letztes Jahr hat es sich dann Papa samt Offenbacher Stadtteil unter den Nagel gerissen.

Zeitungsmitarbeiter: Und im Inneren überall heiteres, verspieltes, einladendes Rokoko. Traut man dem Schlösschen von außen keineswegs zu. Wahrscheinlich sündhaft teuer gewesen.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ach, ich sag Ihnen! Papa ordert Interieur ausschließlich in Paris. Chefsache. Düst jeweils höchstpersönlich am Steuer des rot-gelben gräflichen Möbeltransporters zum Abholen hin. Begleitende Entourage folgt in Kleinbussen. Ist zugleich Kurzurlaub.

Zeitungsmitarbeiter: Dann strömen gewiss permanent von ringsumher Scharen sensationsgieriger Touristen herbei, vermuten witzige Marketinggags oder spannendes Straßentheater. Soweit ich Sie beim Rausgehen richtig verstand, trägt der Hanau-Münzenbergische Hof grundsätzlich Mode wie unter Louis Seize. Zu jeder Tageszeit. Überall.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Korrekt. So wie es sich für eine absolutistisch regierte Grafschaft geziemt. Wobei seit Ende der verbliebenen Coronamaßnahmen, sprich, seit Ablauf des 7. Aprils parallel mit Hessen, Louis Quatorze schwer en vogue ist. Neues postpandemisches Lebensgefühl, ähnlich dem Barockzeitalter als Reaktion auf den Dreißigjährigen Krieg.

Zeitungsmitarbeiter: Nachvollziehbar. Zwei Jahre CoVid-19-Horror haben eine ganze Generation geprägt. Kombiniere: Folglich war die galante offizielle Begrüßungszeremonie auf Französisch für mich vorhin definitiv kein Kostümball.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Im Gegenteil, höfischer Alltag. Deswegen fiel Papas Wahl ja exklusiv auf Sie, niemand sonst bei Ihrer Zeitung verfügt über entsprechende Sprachkenntnisse. Steht Ihnen übrigens super, die weiß gepuderte Zopfperücke mit dem Anzug und den Schuhen. En parfait gentleman!

25. 12. 2024

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