Szene III: Bildungskarriere
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Je suis vraiment désolée. Bist jetzt enttäuscht, weil du nix drüber schrei…aber halt!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Ja?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Un moment. Meine Gehirnwindungen rattern. Aaaaaaaaaahhhhh…Zauberkunst…Hexerei…jeeeee-eeeeetzt weiß ich, worauf du hinaus willst! Krass. Hätte 2014 nie gedacht, dass dieser Klassenausflug noch 2022 solche Kreise zieht.
Zeitungsmitarbeiter: Klassenausflug?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Projektausflug genau genommen. Fach Geschichte. Total verrückter Tag. SO verrückt. SO irre. SO unglaublich. Bis heute nimmt Bernardette Constanze Amalia Gräfin von Hanau-Münzenberg Gräfin von Bernstein-Mechthild, kurzgefasst, Mama, mir die Sache nicht ab. SO verrückt. SO irre. SO unglaublich, dass meine allerbesten Freundinnen und ich vier Jahre später dieselbe Tour nach Seligenstadt privat wiederholten; um Geschehenes wenigstens annährend zu realisieren. Vergeblich.
Zeitungmitarbeiter: Werde richtig neugierig. Muss ja DER Wahnsinn gewesen sein. Schieß los!
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Warte, rufe vorher Amanda an. Ich benötige zumindest eine Zeugin; ansonsten würdest du meine Zurechnungsfähigkeit anzweifeln. Wie stünde ich dann im Wetterauer Dorfpostillon da? Hoffe, du erklärst dich einverstanden. Andernfalls schweige ich wie ein Grab.
Zeitungsmitarbeiter: Kein Ding, Alessa Marie.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Hi, Süße, ich nochmal. Du…der Herr von der Presse…geht um diesen Projektausflug 2014. Brauche deine Bestätigung. Schalte bei mir auf Lautsprecher, damit er dich hört.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Meinst den mit dem Ungelernt-Arbeiter, dem Leier-Kastenmann und der Treue-Istweg?
Zeitungsmitarbeiter: MMMMMUUUUUAAAAAHAHAHA-HAHAAAAAAAAAAA!!!!!
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Wer lacht denn da so selten dämlich im Hintergrund?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Thorsten.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Dein neuer Lover?
Zeitungsmitarbeiter: MMMMMMMMMMUUUUUUUUUUHAHA-HAHAHAHAHAHAHAHAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!!!!!
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Ne, der Pressevertreter.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Meine Güte, was ne Lache. Du, Süße, Caislin und Mariella sind aber aktuell abwesend. Setzen den einen Landwirt gehörig unter Druck; da ist an Martini weitaus mehr rauszuholen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Perfekt, perfekt. Unverschämter Paysan, bei solch einem stattlichen Betrieb waren die Angaben zur Festsetzung der ersten Zehntabgaben 2021 nie und nimmer korrekt; der kam damit nur deshalb durch, weil uns logischerweise keine Vergleichszahlen zu 2020 vorlagen. Bauernschläue versus Kirchenzehnt. Aber nicht mit Alessa Marie! Können wir ihm Tricksereien nachweisen, kriegt er zur Strafe ab einschließlich 2022 jährlich am 11. November ne saftige Sonder-Feudalabgabe aufgebürdet.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Was willst’n wissen, Süße?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Stimmt’s, Süße, vier Vier wandelten am 10. Oktober 2018 privat auf den Spuren unseres Projektausflugs vom 10. September 2014; dabei dermaßen um Authentizität bemüht, dass unsere eleganten Rokoko-Schulroben ausnahmsweise im Kleiderschrank blieben? Schließlich existierte meines geliebten Vaters Grafschaft Hanau-Münzenberg 2014 noch gar nicht.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Stimmt, privat, bestätige ich. Ließen uns hierfür extra modernen Kram per Versand zuschicken. Oh, Gooooott, es fühlte sich unendlich erniedrigend an, wieder in drittklassigen Klamotten rumzulaufen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Beschämend, ma chère, beschämend.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Bääääähhh, Jeans, Pullis, Topps, Blusen, Leggings, Kleider, Röcke, all dieses einfallslose Laden- Kaufhaus- und Boutiquenzeugs. Keine Hanau-Münzenbergerin, die etwas auf sich hält, trägt im August 2022 noch irgendwelchen Fummel von früher; außer sie pendelt zur Arbeit rüber nach Deutschland oder verreist. Gilt freilich für Jungs, Männer genauso. Schloss Philippsruhe lebt das Tragen historischer Kleidung aus dem 18. Jahrhundert vorbildlich vor.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Papas und Mamas Nouveau Château de Versailles geht mit seiner gesetzlich vorgeschriebenen Kleideretikette eben stets mit gutem Beispiel voran. Durch seriöse, unermüdliche Zurschaustellung um 1775/1780 an den europäischen Höfen gepflegter Modestile sprach’s sich in der Grafschaft Hanau-Münzenberg langsam aber sicher herum, was schick angezogen im Alltag wirklich ausmacht. Positiver Dominoeffekt heißt das im Fachjargon.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Hahahahaha, und weil entwürdigende moderne Outfits alleine nicht ausreichen, setzten wir noch eins drauf. Hahahahaha, erinnerst dich? Soooooooooo doof! Soooooooooo hohl! Bemerkten morgens vor der Schule, dass wir eigentlich einen Monat früher hätten starten müssen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Sollte ja am Jahrestag sein.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Goooooooooong, dabei wäre das der 10. September, und nicht der 10. Oktober gewesen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Hahahahahahahahahaha, total verpeilt. Egal.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Originalstrecke. Originalschauplätze. Alles erneut per Rad absolviert
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Fing mit dem Treffpunkt an.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Auf dem Bürgersteig.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Vis-à-vis unserer Schulbibliothek.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Weiß noch, wie ich meine Nase durch den Gitterzaun steckte und dabei vom grellen Morgenlicht geblendet wurde.

Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Jene Stelle, wo am 10. September 2014 die ganze Klasse Lukas verspottete.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Lukas, der Loser. Der konnte doch Bibliothek nicht aussprechen, kam gleich bei den Silben Biblio ins Stocken, stotterte Bibel.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Schon fies, wie Benjamin, Pascal und Jonathan ihn vor dem Aufbrechen erniedrigten: „Los, lies, Loser!“ Und der Arme nur: „Bibl…Bibl…Bibl…Bibel.“
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Schallendes Gelächter. Vor allem, als wir die Staustufe Großkrotzenburg erreichten wurde es für ihn erst richtig ungemütlich.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Lukas, der Loser. Ist was, Thorsten?
Zeitungsmitarbeiter: Irgendwie wundere ich mich.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Weshalb wunderst du dich? Wegen Lukas?
Zeitungsmitarbeiter: Dachte, du wärst in England zur Schule gegangen.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: In England?
Zeitungmitarbeiter: Wycombe Abbey School.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Werde bitte konkreter.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Biste noch dran, Süße?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Gleich, Süße.
Zeitungsmitarbeiter: Ist es nicht Brauch, dass von ihren unumschränkt regierenden Eltern zur Äbtissin bestimmte Adelstöchter Topp-Vorzeigeinternate passenden Namens besuchen? Wissensvermittlung, Erziehung, Gemeinschaftssinn, Interessenförderung auf höchstem pädagogischen Niveau. Very British
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Weißt du, welch horrende Gebühren Wycombe Abbey School insgesamt jährlich verlangt? Knapp 90.000 Pfund.
Zeitungsmitarbeiter: Für absolutistische Herrscherpaare Geld für die Kaffeekasse.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Mensch, Thorsten, bei meinem Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium 2012 hatte Papa doch noch gar nicht den Eurojackpot geknackt. Der erste von insgesamt sieben. Vom Gewinn erwarb er Anfang 2016 unter anderem den Titel Graf von Hanau-Münzenberg; auch Marquise von Hanau-Münzenberg ist gekauft.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Biste noch dran, Süße?
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Gleich, Süße.
Zeitungsmitarbeiter: Aber…aber…Björn informierte mich vorab über ein alteingesessenes Adelsgeschlecht der Hanau-Münzenberger.
Fürstäbtissin: Und wie, bitteschön, wenn 1736 mit dem Tod Johann Reinhards III. die historische Grafschaft-Hanau-Münzenberg aufhörte, als eigenständiger Staat zu existieren?
Zeitungsmitarbeiter: Aber Björn hat doch…
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Blabla. Vorher war Papa Kranken-pfleger auf der Intensivstation im Universitätsklinikum Frankfurt; und Mama Fremdsprachenkorrespondentin für Spanisch und Franzö-sisch bei Degussa. 90.000 Pfund hätten sie nicht mal für zwölf Monate aufbringen können. Ihr Kauf der Doppelhaushälfte -damit wir endlich aus dem Hochhaus rauskamen- belastete finanziell ungemein. Deshalb, Thorsten, Kooperative Gesamtschule. OhGottohGottohGott, jetzt hab ich streng gehütete Familiengeheimnisse ausgeplaudert!!!!!
Zeitungsmitarbeiter: Dafür musst du dich doch vor mir nicht schämen, Alessa Marie. Aus einfachen Verhältnissen zu stammen ist wirklich keine Schande.
Fürstäbtissin von Ilbenstadt: Wehe, du berichtest darüber im Wetterauer Dorfpostillon auch nur ein einziges Wort. Ich lasse Björns Mädchen für alles ins Kirchengebiet Ilbenstadt entführen und auf dem Klosterplatz hängen.
(Handylautsprecher, Personalchefin Schwester Amanda): Biste noch dran, Süße?
28. 04. 2025
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