Szene XI: Zieht euch warm an!
Landwirt: Ich will euch ja nicht wieder mit der leidigen Angelegen-heit Sche*ßhaus behelligen, aber während ich so auf mei’m Prellbock hocke, hämmert mir’s unentwegt im Dez: „Allssä ärschännttwäää dätt doi A*rsch doo jätz lääbbää fannärrs fo hokkä duuhn! Alltä Schusstä, wouhs muus isch schei… „
Hofdame Veronique: NIMM DAS!!!!!
Landwirt: AAAAAHHHHH!!!!!
Hofdame Veronique: UND NOCH EINE!!!!!
Landwirt: GNAAAAADE, KLEINE MÄDAMM, GNADE!!!!!
Hofdame Veronique: Sieh dich vor, Freundchen!!!!!
Landwirt: Eeeeeiiiii, ich wollt damit doch bloß thematisch überleiten!!!!!
Hofdame Veronique: Sein Glück!!!!!
Landwirt: Ich hopse also geschwind vom Prellbockbalken, bekreuzige mich fromm bevor das Himmelfahrtskommando startet, überprüfe, ob auch ja das Krankenkassenkärtchen im Portemonnaie steckt. Dann geht’s in halsbrecherischer Aktion über Schotter, Schwellen und Schienen. Die Weichen verlangen mir alles ab. Endlich…
Hofdame Veronique: Halt, wichtige Wissensfrage. Warum nicht lockerflockig auf dem sicheren Bahnsteig? Oder war dieser mautpflichtig?
Hofdamen Chantal, Veronique, Yvette, Sylvie: Hahahahaha-hahahahaha!
Landwirt: Ei, Mädamms, Betreten ausdrücklich nur im Beisein des gräflichen Ehepaares gestattet; und dieses erwartete bekanntlich auf der Ortseingangsstraße im Kreis von ihm huldvoll Erwählter die Nachzügler.
Hofdame Chantal: Er erzählte davon.
Landwirt: Irgendwann hatte ich mich -fragt bitte nicht wie- ohne davongetragene Blessuren zur Mitte des einstmaligen Bahnsteig-geländes vorgekämpft, wo 1961 letztmalig Personenverkehr abgewickelt wurde. Durch die Tortur völlig verausgabt hielt mein wohlbeleibter Körper ächzend und schnaufend inne. Vor Erschöpfung leere Blicke gingen apathisch geradeaus, dorthin, wo die drei Bahnhofsgleise wieder zu einem zusammenliefen, und dahinter mit hundertprozentiger Gewissheit ab dem 28. Juni 2018 eine neu erschaffene Grenze zweimal das Gleisbett queren würde.

Hofdame Sylvie: Jener ärgerliche Einschnitt, welchen Dennis Kevin durch Landkauf bereinigte?
Landwirt: Eeeeeiiiii, Mädamms, ihr seid ja wirklich ganz Ohr!!!!!
Hofdame Veronique: Immerhin reinigen WIR uns täglich die Ohren
Hofdamen Yvette, Chantal, Sylvie, Veronique: Hahahahaha-hahahahaha!
Landwirt: Äng pö plöö ssärrijää, Mädamms!
Hofdame Veronique: Nous sommes serieuses, Paysan!
Landwirt: Man erkennt, ihr seid nicht aus unserer schönen Wetterau. Also wenn ich den sich am 27. Juni 2018 bietenden Blick mit dem von 24. August 2021 vergleiche, unser lieber Herrgott weiß, als hätte jemand seine Modellbahnanlage komplett neu angelegt; als wäre Münzenberg ein komplett anderer Ort. Alles fort. Alles weggekommen. Schaut euch das Schlamassel nur an.

Jetzt frag ich euch, Mädamms, wenn ihr diesen Bahnhof genauer unter die Lupe nehmt, Hand auf’s Herz, ist DAS ein schnuckliger Ortsbahnhof?
Hofdame Chantal: Eher funktional modern.
Landwirt: Mädamm Professeur, ich könnt mich nimmer so gekonnt ausdrücken. Genau. 08/15. Einheitsbrei. Münzenberg, Oberhörgern-Eberstadt, Rockenberg, Trais-Münzenberg, Muschenheim, siehste einen, siehste alle. Bahnsteig. Fahrkartenautomat. Keine Gepäck-verladung, geschweige denn Bahnhofshaus. Keine beheizbare Wartehalle und Bahnhofwärterwohnung.
Hofdame Sylvie: Dafür ein Wartehäuschen.
Landwirt: Was hält so’n offenes Plastik-Miniding ab? Wenn’s stürmt, zieht’s brutal wie Hechtsuppe drin. Steht nicht mal auf’m Bahnsteig. Mädamms, an euch die Bitt, taucht im Winter nochmal auf, wenn Wartende frierend vom einen Fuß auf den anderen treten, bibbernd vor Kälte die Kapuzen noch tiefer ins Gesicht ziehen, um’s auszuhalten.
Hofdame Yvette: Dummgefragt, MUSS ein zeitgemäßer Bahnhof wie von anno dazumal aussehen?
Landwirt: Ei, ich nehme Mässjäh nur beim Wort! Ei, was versprach er vom Bahnsteig der sich auf der Straße und dem Parkplatz für Fahrgäste der Museumseisenbahn drängenden Zuschauermenge das Gelbe vom Ei. Wie lange Münzenberg noch die Demütigung von 1961 hinnehmen werde, dröhnte es aus dem vom Hattsteiner Hof mitgenommenen Megafon.
Hofdame Veronique: Hui, brisant.
Landwirt: Dieser Frage saß. Aufgebracht drehte sich die Margot zu ihrem Mann. „Er hat Recht! Wie Hinterwäldler hat man uns damals abgehängt; während die in Lich, Hungen, Reichelsheim, Altenstadt munter weitefahren durften! Dort sind sie wohl was Besseres! Den letzten Zug, den hat Papa abfahren sehen! Eine Schande!“
Hofdame Veronique: Und wie hat der Herbert drauf reagiert?
Landwirt: Ei, Mädamms, der Herbert, der wurde da plötzlich fuchsteufelswild. „Hört! Mein Opa, der war hier der letzte Schrankenwärter! Mein Opa, der kannte noch den gesamten Betriebsablauf! Den Bahnhof! Den Herrn Bahnhofsvorsteher! Den Gepäcklader! Die Wartehalle – damit bei Wind und Wetter keiner draußen friert! Den Fahrkartenschalter! Den Lokomotivführer! Den Schaffner! Jeder kannte jeden! Die Eisenbahnbeschäftigten bildeten eine ganz große Familie! Bis es 1961 ‚Schicht im Schacht‘ hieß!“ Jesses Maria und Joseph, war der Herbert geladen. Dabei ist der Margot ihr Herbert eigentlich eine gutmütige Seele.
Hofdame Sylvie: Da kochten unverarbeitete Emotionen hoch.
Hofdame Chantal: Erstaunlich, immerhin, die Einstellung des Personenverkehrs lag zu diesem Zeitpunkt 57 Jahre zurück.
Landwirt: Mädamms, das 1961er Trauma hatte Münzenberg nie überwunden; und genau DIESEN wunden Punkt nutzte der Graf clever für seine Show aus. Rund 10% Nein-Stimmen, sagten die repräsentativen Umfrageergebnisse voraus. Um nun möglichst auch letzte Zweifler in Befürworter umzuwandeln, machte Mässjäh einen genialen Schachzug. Noch ehe ich einen Mucks tun konnte, lag plötzlich sein rechter Arm kumpelhaft um meine Bauernschulter. Mit dieser gönnerhaften Geste wollte er vor laufenden Kameras symbolisch andeuten, Adel und Landvolk seien herzliche Brüder; dass ich nicht lache, kein einziges Treffen gab’s bis jetzt geschenkt.
Hofdame Chantal: Wundert’s? Seine Durchlaucht verschenkt keine Treffen, Dennis Kevin I. von Gottes Gnaden Graf von Hanau-Münzenberg gewährt edelmütig Audienzen.
Landwirt: Mädamm Professeur, ich könnt mich nimmer so gekonnt ausdrücken.
Hofdame Sylvie: Und mit diesem Verbrüderungsakt setzte er Skeptiker schachmatt?
Landwirt: Matter ging’s nicht. Mich wie den besten Kneipenkumpel am Stammtresen beim Bier im Arm haltend, erdröhnte wiederum jenes Sprachrohr, welches sich bereits im Hattsteiner Hof zur vollsten Zufriedenheit bewährt hatte.
Hofdame Veronique: Sich im Politikgeschäft lautstark Gehör zu verschaffen ist das A und O.
Landwirt: Teilweise, Mädamm, teilweise.
Hofdame Veronique: Wie?
Landwirt: Den Trump haben sie abgewählt.
Hofdame Veronique: Die US-Wahl 2020, klarer Betrug. Befehl der Acht Weltkaiser. Aber Trump kommt mit Dennis Kevins Hilfe 2025 wieder an die Macht; das wissen wir Hofdamen aus erster Quelle. Und dann blüht der Absolutismus auf.
Landwirt: Äng pö plöö ssärrjää, Mädamm.
Hofdame Veronique: Je suis serieuse, Paysan.
Hofdame Sylvie: Welche beispiellosen, unnachahmbaren Verheißungen tat unser Allgeliebter denn nun auf dem Bahnsteig kund?
Landwirt: „Münzenbergerinnen! Münzenberger! Schmach wurde euch angetan! Schmach! Das, was der stolze Enkel eures letzten Schrankenwärters soeben in rührender Weise beklagte, kommt ALLES wieder hierher zurück – wenn ihr FÜR Hanau stimmt! Ei, gude Leut! Merkt denn keiner, welche zwei schrecklichen Unglücke, welche zwei grässlichen Tragödien die bisherigen Verhältnisse verursachten? Eine glückliche Eisenbahnerfamilie, in der sich alle Angestellten lieb hatten, zerstört, zerstreut in alle Winde! Ihr, von herzlosen, verantwortungslosen Rabeneltern Gekränkte, Gedemütigte, Vorgeführte, Bloßgestellte, Schikanierte, hört mich an: Zu Menschen zweiter Klasse, zu Ausgestoßenen, haben sie euch gemacht, zu Parias; da ergeht’s ja der untersten Kastengruppe in Indien tausendmal besser! Fortan rückständig Bus, Auto, Fahrrad, Mofa oder Motorrad fahren war das euch 1961 als ungeliebte Kinder beschiedene Los; während die von Mama und Papa stets bevor-zugten, gehätschelten, mit Geschenken überhäuften Geschwister, Lich, Hungen, Altenstadt, Reichelseim, euch hämisch angrinsend und dabei fies die Zunge herausstreckend wie gewohnt ins Bähnchen stiegen!“
Hofdame Yvette: Hihihihihi, ja, überzeugend parlieren vermag Dennis Kevin wirklich in exzellenter Weise.
Hofdame Yvette: Hihihihihi, musst echt achtgeben, er redet dich sonst unter den Tisch.
Hofdame Sylvie: Und dann? War die Ansprache beendet?
Landwirt: Im Gegenteil, Mädamms, Frontalangriff.
Hofdame Chantal: Frontalangriff?
Landwirt: „Münzenbergerinnen und Münzenberger! Seid euch bis zum Jüngsten Gericht bewusst, euch zugefügtes himmelschrei-endes Unrecht verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz der Französischen Revolution. ‚Égalité‘. Euch zugefügtes himmel-schreiendes Unrecht verstößt ferner gegen die am 26. August 1789 verkündete ‚Déclaration des Droits de l’Homme et du Citoyen‘, die Erklärung der Menschenrechte. Ei, gude Leut! Weder selbstsüchtige Suche nach glanzvollem adligen Ruhm noch eigensüchtiges Streben nach politischer Selbstbeweihräucherung treibt mich heute in euer schmuckes Städtchen. Einziger und wahrer Grund meiner bescheidenen Anwesenheit ist alleine der, euch, mir ans Herz Gewachsene, als einfacher Bub aus Haanaa, als einfacher Haanaer Bub zuzurufen: Unter der gerechten Sonne Ludwigs XIV. versam-melte Brüder und Schwestern, fordert EISENBAHNGLEICHHEIT! Fordert, was euch von den Menschrechten her zusteht, ein ungehinderter Zugang frei geborener Menschen zum regionalen Eisenbahnnetz mit Direktanbindung am Wohnort! Münzenbergs strukturschwache Lage, ihr wisst, resultiert ausschließlich aus der Stilllegung! Ei. was erwartet ihr denn ohne pulsierende Lebensader? Den ‚Garten Eden‘? Doch dess heert bald uff! Ich tu nämlich annern Saide uffziehn! Drum heert, ihr Leut, unn lasst eusch sagen, seid für die neue Zeit, s’wird Gleischheit wieder schlagen! Ihr Leut, isch tu eusch hier ned veraarsche! Isch will eusch aach kaan Schisslaweng uffbabbeln! Ihr kriegt hurdisch eure Bahn reaktivert, da könnter aane druff lasse! Isch schenk eusch wieder eine menschenwiridsche Teilhabe am Lewwe, mach eure Geldbeidel mit Knete gerabbelt voll -was saach isch- geschdoppde voll! Tu die Blamaasch von 1961 für immer und ewisch forttun! Bei Gott…“ Weiter kam Mässjäh nicht.
Hofdame Chantal: Schlüssig. Scharenweise stürmten sie das Bahngelände, um ihn auf einer Menschenwelle zu tragen.
Hofdame Sylvie: Crowdsurfing.
Landwirt: Seine eigene krämmtällerkrämm hinderte ihn.
Hofdame Yvette: Crème de la crème.
Landwirt: Ei, Mädamms, der eine Depp da, der verzückt dauer-klatscht, sobald sein Boss großes Trara veranstaltet.
Hofdame Veronique: Friedemann Adalbert Willibald Baron von Rot zu Rot und zur Rot?
Landwirt: Aufgeputscht vom Redeklang stößt er mich unsanft von Mässjähs Seite weg, entreißt dem eigenen Chef das Megafon, zeigt auf ihn, brüllt der frohlockenden Volksmasse zu:
„Wir haben keinen anderen Gott außer dem Graf!“
Hofdame Sylvie: Ja, Friedemann Adalbert Willibald und die Baronin zählen am Hof zu den Hardlinern.
Landwirt: Woraufhin auf dem Bahnsteig tatsächlich etliche Noble auf Knie fielen, um Mässjäh anzubeten. Und die aufgetakelte Fregatte des roten Barons gab natürlich ihren akustisch verstärkten Senf dazu: „Was steht ihr Faulenzer noch rum? Auf, ab mit euch in die Wahllokale! Husch, husch!“
Hofdame Chantal: 97,8% pour Les Temps Nouveaux.
Landwirt: Ei, Mädamms, hätt die Alte denen vorm Losrennen noch mittgeilt, dass in der kalten Jahreszeit auf dem Super-Bahnsteig zum Überleben spezielle Winterbekleidung ratsam sein wird, ei, der Graf hätt für sich’n frostiges Minusergebnis eingefahren!
14. 04. 2025
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